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Freitag, 12. Juli 2019

Streitfall für die EU-Demokratie

Über Ursula von der Leyen wird genug gestritten, aber hier geht mal um anderes:

Wenn man für die eigenen Wünsche und Leute keine Mehrheit findet, dann muss sich überlegt werden, wohin man die stärkste Fraktion treibt, wenn man es übertreibt, sie vor sich her zu treiben - und wenn man dadurch riskiert, dass Rechtsextremisten Mehrheitsbeschaffer der stärksten Fraktion werden könnten.

Es werden die immer selben Fehler gemacht, als sei irgendjemandes Selbstgerechtigkeit gerechtfertigt, als habe man nie und nirgends regiert - und nicht schlimmste Fehler gemacht, die ich auf ernst gemeinte Anfrage seitens der Adressierten auch aufzählen werde.

Als dürfe vergessen werden, wie auch schon in der Weimarer Republik die Unregierbarkeit provoziert wurde - und damit nicht bloß den "Notverordnungen" von Reichspräsidenten, sondern auch der NSDAP Vorschub geleistet wurde, die von der bürgerlichen und linken Unfähigkeit profitierten, aus dem Erstarken des Rechtsextremismus keine richtigen Schlüsse für das parlamentarische Verhalten zu ziehen.

Was also tun, wenn die stärkste Fraktion zu unnachgiebig ist?

Dann ENTHALTUNG, aber kein Gegenstimmen, denn die "Linke" ist nicht mehr allein mit den "Konservativen", sondern hat allerlei LePen, Gauland mit auf der Rechnung zu haben. Und deshalb wäre das Gegenstimmen - ohne eine Alternative stellen zu können, gleichbedeutend mit Machtverschaffung für den Rechtsextremismus.

Donnerstag, 3. Juli 2008

Rede BM Steinmeier beim Treffen des bilateralen Lenkungsausschusses des Petersburger Dialogs

Rede BM Steinmeier beim Treffen des bilateralen Lenkungsausschusses des Petersburger Dialogs, 3. Juni 2008
"Globale Herausforderungen gemeinsam gestalten - Perspektiven der deutsch-russischen Modernisierungspartnerschaft"

- Es gilt das gesprochene Wort! -

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrter Michail Gorbatschow, sehr geehrter Lothar de Maizière, sehr geehrte Damen und Herren,

in seiner Berliner Rede hat der neue russische Präsident Medwedjew vor wenigen Wochen in Anlehnung an John Le Carré einen bemerkenswerten Satz geprägt. Russland, so sagte er, sei „aus der Kälte zurückgekehrt“. Sein Land sei bereit, die globale Politik und Wirtschaft konstruktiv mitzugestalten.

Vor wenigen Tagen, beim Gipfel von Russland und der Europäischen Union, hat Dimitrij Medwedjew diese Ankündigung konkret unterlegt. Meine Zuversicht steigt, dass die Zeit für eine substanzielle Ausgestaltung und Vertiefung des europäisch-russischen, aber besonders auch des deutsch-russischen Verhältnisses, endlich heranreift. Das ist eine große Chance. Wir dürfen sie unter keinen Umständen verspielen.

Und deshalb ist es gut und wichtig, dass wir hier gemeinsam diskutieren, wie Russen und Deutsche diese Chance rasch und entschlossen nutzen können. Ich freue mich auch sehr, dass unsere heutige Begegnung in Passau stattfindet. Das gibt Gelegenheit, dem neuen Oberbürgermeister dieser Stadt zu gratulieren. Lieber Jürgen Depper, ganz herzlichen Glückwunsch und viel Erfolg beim Wirken für die Menschen in dieser Stadt, den Menschen, bei denen ich mich bedanken will für den wunderschönen Rahmen, den Passau dieser Tagung setzt.

Es gehört zu den Markenzeichen des Petersburger Dialogs, dass seine Veranstaltungen außerhalb der Hauptstädte stattfinden - fernab von Regierungssitzen und Regierungen. Denn dafür steht der Petersburger Dialog: für den Dialog zwischen unseren Zivilgesellschaften, für einen Brückenschlag zwischen den Menschen, für das offene, vertrauensvolle und auch kritische Gespräch zwischen Deutschen und Russen weit über die politischen Gesprächskanäle hinaus. In dieser Eigenschaft ist der Petersburger Dialog längst nicht mehr aus den deutsch-russischen Beziehungen wegzudenken. Er bereitet sozusagen den Humus, aus dem immer wieder und hoffentlich bald noch stärkere neue Pflanzen der deutsch-russischen Zusammenarbeit sprießen.

Regierungen allein können auf Dauer keine lebendigen Beziehungen zwischen Ländern und Staaten erhalten. Erst der Austausch und die Verflechtung der Zivilgesellschaften macht Beziehungen wirklich eng und fruchtbar. Es sind die Musiker, die Maler und Schriftsteller, die sich wechselseitig anregen; die Unternehmer, die zum gegenseitigen Vorteil zusammenarbeiten; die Wissenschaftler, die voneinander lernen und gemeinsam unbekanntes Gebiet erforschen; die Journalisten, die neugierig und offen die Gesellschaft des jeweils anderen Landes entdecken und beschreiben.

Deshalb bin ich im Mai bei meiner letzten Russland-Reise bewusst auch in die Regionen gefahren. In Jekaterinburg am Ural, einer Industriestadt mit 1,5 Millionen Einwohnern, wo inzwischen viele deutsche Unternehmen und Wissenschaftler aktiv sind, habe ich gesagt: Wir haben gelernt, dass Russland nicht am Autobahnring von Moskau endet. Dort wie in Sankt Petersburg habe ich mich bemüht, die Kontakte zwischen Menschenrechtlern, kirchlichen und anderen zivilgesellschaftlichen Gruppen beider Länder zu fördern – ganz im Sinne des Petersburger Dialogs, der dies seit seiner Gründung vor sieben Jahren vormacht.

In diesen sieben Jahren ist im deutsch-russischen Verhältnis in vielen Bereichen etwas gewachsen, das generell und für die Außenpolitik besonders das wichtigste Kapital ist: gegenseitiges Verständnis und Vertrauen. Das verdanken wir nicht zuletzt der Arbeit des bilateralen Lenkungsausschusses, dem unermüdlichen Einsatz von Menschen wie Lothar de Maizière, Manfred Stolpe und Michail Gorbatschow. Ich möchte aber nicht nur Ihnen, sondern allen engagierten Partnern im Lenkungsausschuss an dieser Stelle meinen herzlichen Dank aussprechen!

Wir alle wissen: Verständnis und Vertrauen wachsen nur langsam. Dafür notwendig sind Zeit, Geduld und beständige Pflege. Zwanzig Jahre sind seit dem Fall der Mauer mittlerweile vergangen, seit dem Ende der Blockkonfrontation zwischen Ost und West. Manche Mauern – ich meine die Mauern in den Köpfen – sind aber nicht so schnell gefallen. Hier und da haben sie noch immer Bestand. Die Denkmuster des Kalten Krieges und seine ideologischen Klischees verfolgen uns als lange Schatten der Vergangenheit.

Und darum werbe ich dafür, dass wir miteinander begreifen: Wir sind in ein neues Zeitalter nach dem Kalten Krieg eingetreten, ein Zeitalter der wachsenden gegenseitigen Abhängigkeit. Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit werden wir die wichtigen Probleme nur noch gemeinsam lösen können – vom Klimaschutz bis zur Energiesicherheit. Darum setze ich auf eine Politik für mehr gegenseitiges Verständnis, für Zusammenarbeit und Dialog. Auf diesem Weg werden wir erkennen, dass wir viel mehr gemeinsame Interessen haben, als manche vielleicht glauben!

Gehen wir offen und neugierig auf diesem Weg voran! Dann haben wir die Chance, Missverständnisse und falsche Wahrnehmungen zu erkennen und zu überwinden. Ich will in diesem Zusammenhang an den offenen Brief von Michail Gorbatschow erinnern, der in diesem März die deutschen Medien aufgerufen hat, ihren Blick auf Russland gelegentlich etwas selbstkritischer zu überprüfen. Nicht jeder Bericht, so sein Urteil, ist geprägt von einem unvoreingenommenen Umgang miteinander. Nehmen wir diese Kritik von Michail Gorbatschow, der sich leidenschaftlich um Dialog und Zusammenarbeit bemüht, ernst!

Aber ich will auch sagen: Beim Aufbau von gegenseitigem Vertrauen zwischen Deutschen und Russen sind wir weit vorangekommen, und das ist für die Politik eine Steilvorlage.

Die Chancen für ein neues Miteinander zwischen den USA, der EU und Russland stehen deshalb gut, auch wenn wir die Differenzen, die es gibt, gar nicht leugnen brauchen. Aber die gemeinsamen Interessen sind doch viel größer als die Unterschiede.

Ich meine: Die wachsende Vernetzung und Verflechtung, neue globale Probleme und Risiken, denen sich die USA, die EU und Russland gemeinsam stellen müssen – das sind Ansatzpunkte für eine neue gemeinsame Agenda.

Präsident Medwedjew hat Ende Mai bei seiner Rede in Berlin gezeigt, dass er das ganz ähnlich sieht. Er hat deutlich gemacht, dass sich Russland als Teil der europäischen Zivilisation sieht. Einer gemeinsamen Zivilisation, so hat er hinzugefügt, die Nordamerika, die Europäische Union und Russland umfasst.

In diesen Worten kommt nicht nur eine geographische Orientierung, sondern eine Orientierung an gemeinsamer Kultur und Geschichte zum Ausdruck. Und die Bereitschaft zu gemeinsamer Zukunftsgestaltung!

Der russische Präsident hat sich für eine gleichberechtigte Zusammenarbeit in einem einheitlichen euroatlantischen Raum von Vancouver bis Wladiwostok ausgesprochen. Mit dieser Aussage hat er eine Zielsetzung formuliert, die wir alle in der Charta von Paris bekräftigt haben.

Denn eine europäische Friedensordnung, auf der Grundlage gemeinsamer Interessen, gemeinsamer Werte und einer gemeinsamen, unteilbaren Sicherheit war immer unser Ziel.

In öffentlichen Diskussionsbeiträgen haben Hans-Dietrich Genscher und der Verteidigungsexperte Lothar Rühl in den vergangenen Tagen unterstrichen, wie aktuell und wie bedeutsam die Frage einer Verständigung über uns gemeinsam berührende Sicherheitsinteressen ist.

Auch das muss Teil unserer gemeinsamen Agenda sein – die ich im Sinne einer globalen Verantwortungsgemeinschaft verstehe. Einer Verantwortungsgemeinschaft, die wir schaffen müssen, wenn wir wollen, dass unsere Kinder und Enkel so friedlich und gut leben wie wir selbst – und damit die Kinder es in manchen Teilen der Welt es sogar besser haben als heute.

Für Deutschland und die EU ist Russland solch ein unverzichtbarer Partner bei der Gestaltung der Welt von morgen. Wir brauchen Russland als Partner. In gemeinsamer Verantwortung für Sicherheit und Stabilität in Europa und weit darüber hinaus. Nur gemeinsam mit Russland wird unsere Energieversorgung auf Dauer sicher und friedlich sein, nur gemeinsam mit Russland werden wir Fortschritte bei der Abrüstung erreichen und im weltweiten Kampf gegen den Terrorismus erfolgreich sein. Ich bin überzeugt: Es wird in Europa, im ganzen eurasischen Raum keine Sicherheit ohne oder gar gegen Russland geben.

Russland braucht aber auch Europa – um sein Land politisch nach vorn zu bringen und sich wirtschaftlich zu modernisieren. Deshalb habe ich eine deutsch-russische Modernisierungspartnerschaft vorgeschlagen. Im Kern geht es dabei um eine Zusammenarbeit in Bereichen, in denen sich unsere gemeinsame Zukunft entscheidet: bei der Klima- und Energiepolitik, im gemeinsamen Bemühen um Energieeffizienz, bei der Gesundheitspolitik, bei der Abfederung der Folgen einer älter werdenden Gesellschaft, auf den Feldern Bildung und Wissenschaft oder auch der Rechtstaatlichkeit.

Ich freue mich, dass Präsident Medwedjew bei meinen Gesprächen mit ihm in Moskau und in Berlin diesen Vorschlag positiv aufgegriffen hat. Tun wir alles dafür, die Modernisierungspartnerschaft als Motor für eine gute gemeinsame Zukunft zu begreifen.

kürzlich habe ich jungen Studenten an der Ural-Universität in Jekaterinburg gesagt: Wir leben in einer Zeit, in der nicht mehr die Zahl der Panzer und Raketen über die Stärke eines Landes entscheiden, sondern die Leistungsfähigkeit seiner Wirtschaft, die Zahl seiner klugen Köpfe, die Anwendung von Wissen, die internationale Vernetzung und die Offenheit seiner Gesellschaft.

Genau dies haben wir mit der deutsch-russischen Modernisierungspartnerschaft im Blick: uns fit zu machen für das globale 21. Jahrhundert. Das ist nicht nur Aufgabe von Regierungen. Der Staat kann Rahmen setzen und flankierend zur Seite stehen. Lebendig wird eine Partnerschaft aber erst mit konkreten Ideen, Konzepten und Projekten, von engagierten Menschen auf beiden Seiten. Eine Aufgabe ganz besonders auch für den Petersburger Dialog.

Lassen Sie mich dafür zwei Beispiele nennen.

Erstens: Bildung, Ausbildung und Forschung sind für jede Gesellschaft grundlegend. Wissen ist die entscheidende Ressource der Zukunft – das weiß man hier in der Universitätsstadt Passau sehr genau! Deshalb haben wir, Deutschland und Russland, vor drei Jahren eine strategische Partnerschaft in Bildung, Forschung und Innovation vereinbart. Diese Partnerschaft hat dazu beigetragen, dass Deutschland heute mit kaum einem anderen Land der Welt so enge Forschungs- und Hochschulbeziehungen wie mit Russland hat. Rund 12.000 russische Studenten lernen bei uns, viele haben es nach ihrer Rückkehr bis in Spitzenpositionen geschafft.

Aber wir können noch viel mehr tun. Ein gemeinsames Thema ist die Ausbildung junger Menschen und eine praxisnahe Fortbildung. Viele Firmen, übrigens auch deutsche Unternehmen, suchen in Russland händeringend nach Fachkräften. Aber auch die öffentliche Verwaltung muss funktionieren, wenn die Wirtschaft wachsen soll.

Zum Bildungsbereich im weiteren Sinne gehört auch der Jugendaustausch. Nur wenn deutsche und russische Jugendliche sich begegnen, wenn sie Interesse füreinander entwickeln und die Sprache des anderen Landes lernen, bleibt das deutsch-russische Verhältnis auch in Zukunft lebendig.

Der Petersburger Dialog hat zu Recht immer wieder darauf gedrängt, dass wir von beiden Seiten alles tun, um den Jugendaustausch weiter zu verstärken. Das ist das zentrale Anliegen der Stiftung Deutsch-Russischer Jugendaustausch, die aus der Arbeit des Petersburger Dialogs hervorgegangen ist.

Ich möchte in diesem Zusammenhang noch einmal herausheben, wie groß die Bedeutung der wechselseitigen Sprachkenntnisse ist. Wer die Sprache des Anderen spricht, geht leichter aufeinander zu – ob in der Wirtschaft, in der Forschung oder in der Kultur. Die Initiative für mehr Partnerschulen knüpft genau an diesem Punkt an.

Daher machen wir uns stark für mehr Russisch-Unterricht an deutschen Schulen, mehr Studiengänge an deutschen Universitäten. Wir können da gegenüber den Russen an Neugier und Bereitschaft noch einiges nachholen! Auch dank unserer Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik in Russland können wir feststellen: In keinem anderen Land der Welt lernen so viele Menschen Deutsch wie in Russland!

Das zweite Modernisierungsthema, das ich nennen möchte, hat Präsident Medwedjew selbst wiederholt angesprochen. Er hat gesagt, dass in Russland die Verbesserung des Rechtssystems und mehr Rechtsstaatlichkeit verwirklicht werden müssen, wenn die Modernisierung des Landes gelingen soll. Das wollen wir unterstützen!

Zum Beispiel mit der Beratung bei Gesetzen. Mit der Fort- und Weiterbildung von Praktikern von Richtern, Staatsanwälten, Rechtsanwälten und Notaren. Wir sollten auch neue Wege bei der rechtswissenschaftlichen Zusammenarbeit gehen. Ich denke an verstärkte „train the trainer“ Programme für Nachwuchs-Rechtswissenschaftler oder gemeinsame Promotionsprogramme. Als Rahmen könnte ich ich mir ein Deutsch-Russisches Kompetenzzentrum Rechtswissenschaft vorstellen.

dies sind nur zwei von vielen Zukunftsfeldern, die wir gemeinsam gestalten können. Auch in den Bereichen Gesundheitspolitik und Demografie, Energieeffizienz oder Verkehrsinfrastruktur haben wir ganz konkrete Vorstellungen davon, wie wir konkret zusammenarbeiten können und beide dabei gewinnen! Im Bereich des Gesundheitswesens hat der Petersburger Dialog vor allem mit dem „Koch-Mentschnikow-Forum“ schon einen substanziellen Beitrag zu dieser Modernisierungsagenda geleistet.

Viele dieser Zukunftsfelder haben eine europäische Dimension. Deshalb bin ich ausgesprochen froh, dass es beim EU-Russland Gipfel in Chanty-Mansijsk letzte Woche gelungen ist, den Startschuss für die Verhandlungen über ein neues Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zu geben. Zwei Jahre haben wir uns in der EU und in Moskau gegenseitig Steinchen und Steine in den Weg gelegt. Jetzt kann es endlich losgehen, und hoffentlich sehen wir jetzt stärker, wie viel wir uns langfristig zu geben haben. Ich halte auch langfristig auch eine Freihandelszone zwischen der EU und Russland für keine Utopie, wenn Russland schon eine Weile der Welthandelsorganisation angehört.

Leo Tolstoi hat uns folgenden Rat auf den Weg gegeben: „Es ist leichter, zehn Bände über Philosophie zu schreiben, als einen Grundsatz in die Tat umzusetzen.“

Lassen Sie uns also an die Arbeit gehen. Lassen Sie uns den Petersburger Dialog nutzen, um die Partnerschaft zwischen Deutschland und Russland mit neuen Ideen und Taten zu vertiefen!

Meine Damen und Herren, ich freue mich jetzt auf Ihre Anregungen, Herr Gorbatschow und Herr de Maizière.

EZB: Leitzinsanhebung auf 4,25 %

Auf der heutigen Sitzung fasste der EZB-Rat die folgenden geldpolitischen Beschlüsse:

  1. Der Mindestbietungssatz für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte des Eurosystems wird um 25 Basispunkte auf 4,25 % erhöht. Dies gilt erstmals für das am 9. Juli 2008 abzuwickelnde Geschäft.
  2. Der Zinssatz für die Spitzenrefinanzierungsfazilität wird mit Wirkung vom 9. Juli 2008 um 25 Basispunkte auf 5,25 % erhöht.
  3. Der Zinssatz für die Einlagefazilität wird mit Wirkung vom 9. Juli 2008 um 25 Basispunkte auf 3,25 % erhöht.

Der Präsident der EZB wird die Überlegungen, die diesen Beschlüssen zugrunde liegen, heute um 14.30 Uhr (MESZ) auf einer Pressekonferenz erläutern.

Montag, 30. Juni 2008

Bundespräsident Köhler wartet verfassungsrechtliche Prüfung zum EU-Vertrag von Lissabon ab

Bundespräsident Horst Köhler wird die Ratifikationsurkunde zum Vertrag von Lissabon bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit des Zustimmungsgesetzes zum Vertrag von Lissabon nicht unterzeichnen

Das Bundespräsidialamt teilt mit:

Bundespräsident Horst Köhler wird die Ratifikationsurkunde zum Vertrag von Lissabon vom 13. Dezember 2007 - ungeachtet des Ergebnisses seiner Prüfung des Zustimmungsgesetzes gem. Art. 82 Abs. 1 GG - bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit des Zustimmungsgesetzes zum Vertrag von Lissabon nicht unterzeichnen. Angesichts vorliegender Anträge auf einstweilige Anordnung folgt der Bundespräsident damit einer Bitte des Bundesverfassungsgerichts. Diese Entscheidung ist dem Bundesverfassungsgericht heute durch das Bundespräsidialamt förmlich mitgeteilt worden.

Donnerstag, 19. Juni 2008

SPD beklagt EuGH-Urteil

19. Juni 2008 - 483 Stellvertretende Fraktionsvorsitzende

Sozialdumping mit dem Lissabonner Vertrag verhindern

Zur heutigen Urteilsverkuendung des Europaeischen Gerichtshofes (EuGH) gegen Luxemburg erklaert die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Angelica Schwall-Dueren:

Mit grossem Bedauern nimmt die SPD-Bundestagsfraktion das Urteil des Europaeischen Gerichtshofs (EuGH) gegen Luxemburg zur Kenntnis. Das luxemburgische Arbeitsrecht wird durch das Urteil des EuGH unterlaufen. Nach Auffassung des EuGH steht das luxemburgische Arbeitsrecht im Widerspruch zur Entsenderichtlinie und zur Dienstleistungsfreiheit und muss daher geaendert werden. Unternehmen, die Arbeitnehmer nach Luxemburg entsenden, sind mit dem heutigen Urteilsspruch nicht mehr dazu verpflichtet, das luxemburgische Arbeitsrecht anzuwenden. Fuer nach Luxemburg entsandte Arbeitnehmer entfaellt damit eine automatische Anpassung der Loehne an die Lebenshaltungskosten. Unternehmen sind nicht mehr zur Einhaltung von Tarifloehnen verpflichtet und bewaehrte Bestimmungen hinsichtlich bezahltem Urlaub, Zeitvertraegen, Leih- oder Teilzeitarbeit stehen zur Disposition.

Einmal mehr wird dabei deutlich, dass die soziale Dimension im Primaerrecht der Europaeischen Union gestaerkt werden muss. Auch dies ist ein Grund, um am Tag der Debatte im Deutschen Bundestag zum Ausgang des irischen Referendums deutlich zu machen, wie wichtig es ist, den Lissabonner Vertrag zu ratifizieren. Denn der Lissabonner Vertrag steht durch die soziale Grundrechtscharta und die Ausrichtung auf den sozialen Zusammenhalt fuer eine Staerkung der sozialen Dimension der Europaeischen Union. Das Inkrafttreten des Lissabonner Vertrages boete dem EuGH eine andere Abwaegungsgrundlage. Juengste Urteile, wie beispielsweise Laval, Viking, Rueffert und die aktuelle Rechtssprechung im Falle Luxemburgs, bieten den wirtschaftlichen Grundfreiheiten Vorrang vor den Rechten und dem sozialen Schutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.

Die Buergerinnen und Buerger erwarten von Europa eine soziale Gestaltung der Arbeitswelt und keinen Vorschub fuer Sozialdumping. Unabhaengig vom Lissabonner Vertrag macht das Urteil deutlich, dass das europaeische Entsenderecht verbessert und sozialen Belangen besser Rechnung tragen muss. Zusammen mit unseren Kolleginnen und Kollegen treten wir deshalb fuer eine rasche Ueberarbeitung der Entsenderichtlinie ein.

Referendum: Iren sagen „Nein“ zum EU-Reformvertrag

Dublin (Irland), 14.06.2008 – In dem vorgestern durchgeführten Referendum über den EU-Reformvertrag, auch Vertrag von Lissabon genannt, hat eine Mehrheit der Wähler mit Nein gestimmt. Der irische Justizminister Dermot Ahern sagte bereits am frühen Nachmittag: „Es sieht so aus, dass dies ein Nein-Votum sein wird.“ Der staatliche Radiosender RTE verbreitete die Information, nur in sechs von zu diesem Zeitpunkt ausgezählten 43 Wahlbezirken hätten die Wähler mehrheitlich mit Ja gestimmt.

Laut RTE lag die Wahlbeteiligung bei nur 45 Prozent. Das offizielle Endergebnis wurde für den späten Nachmittag erwartet. Vertreter der irischen Regierung gaben das Referendum jedoch, nachdem über 80 Prozent der Wahlbezirke ausgezählt sind, bereits verloren.

Auch der Europaparlamentarier Elmar Brok (CDU) ging offenbar bereits am Mittag von einem Nein bei dem Referendum in Irland aus. Den Ausgang des Referendums nannte er „ausgesprochen bedauerlich“. Der Ratifizierungsprozess müsse jedoch fortgesetzt werden. Irland war das einzige EU-Mitglied, das ein Referendum über den Vertrag von Lissabon abgehalten hat. In den anderen EU-Staaten werden die Parlamente über das Reformwerk abstimmen, von dem sich die EU-Institutionen eine größere Effektivität der Abstimmungsprozesse innerhalb der EU versprochen hatten. Ein Scheitern des Vertragswerks würde nach Ansicht politischer Beobachter zu einer schwerwiegenden Krise der Europäischen Union führen. Martin Schulz (SPD), Fraktionsvorsitzender der Sozialdemokraten im EU-Parlament, hält einen „tiefen Bruch“ innerhalb der EU für möglich. Er sagte: „Dann gerät die Europäische Union nicht nur in die Krise, sondern in die Notwendigkeit einer Identitätsklärung.“ Nach Einschätzung von Schulz besteht die Möglichkeit einer „Umgründung der Europäischen Union“, die eine Aufkündigung aller bisherigen Verträge einschlösse. Dann könnten die 18 EU-Staaten, die sich ursprünglich auf eine neue Verfassung geeinigt hatten, auf einer neuen Basis zu einer neuen Europäischen Union erklären. Dieses Modell firmiert unter dem Begriff eines „Kerneuropas“. Nach den Worten von Schulz ist ein solches Modell allerdings sehr unwahrscheinlich. Andererseits könne man angesichts der Situation, dass die übrigen Mitgliedsstaaten dem Vertrag wahrscheinlich zustimmen werden – so wurde der Vertrag am 11. Juni von gleich drei Ländern (Griechenland, Estland und Finnland) ratifiziert – davon ausgehen, dass die Frage eines „Kerneuropas“ auf die Tagesordnung gesetzt werde: „Wenn ein Land sagt Nein, wir blockieren das alles, dann wird diese Frage sicher auf den Tisch kommen, ob dieses eine Land das machen kann und ob nicht die 26 anderen sagen Nein, wir lassen uns nicht aufhalten.“

Sein Fraktionskollege Jo Leinen, Vorsitzender des Verfassungsausschusses des Europaparlaments, vertrat dagegen die Ansicht, an einem zweiten Referendum führe „kein Weg vorbei“. Man müsse die Iren ernsthaft fragen: „War das euer letztes Wort?“ Euphorisch zeigte sich dagegen der konservative britische Europaabgeordnete Daniel Hannan, ausdrücklicher Befürworter eines Referendums auch in Großbritannien. Mit anderen hatte er eine Kampagne organisiert, die vor vielen irischen Botschaften in Europa dazu aufrief, die Iren sollten das tun was die anderen EU-Bürger nicht könnten: Nein sagen. Eine ähnliche Stossrichtung hatte auch die europäische Kampagne „Irish Friends Say No For Me“ vertreten, aus der deutsche, französische und österreichische Vertreterinnen der globalisierungskritischen Bewegung attac, die sich „für ein anderes Europa“ einsetzt, in einem Bus durch Irland gereist waren und als Wahlbeobachter die Auszählung begleitet haben.

In einem Interview mit dem Deutschlandfunk hatte Martin Schulz bereits gestern der irischen Regierung vorgeworfen, sie habe sich „viel zu spät intensiv in die Kampagne eingeschaltet, um die Leute zu informieren und aufzuklären“. Viele Iren hätten angesichts der bevorstehenden Abstimmung erklärt, sie hätten gar nicht gewusst, worum es überhaupt ginge. Als weitere Ursache der ablehnenden Haltung der Iren zum EU-Vertrag nannte er eine gezielt geschürte Stimmung, die alle Missstände der Europäischen Union anlaste: „Das ist eine Negativkoalition von Leuten, die sich sonst auf der Straße nicht Guten Tag sagen und ein einigendes Band haben: Das alles ist Mist, was aus Brüssel kommt.“

Natürlich sehen das die Gewinner des Referendums (53,5% Nein, 46,5% Ja) anders: Declan Ganley, Unternehmer und Gründer der Initiative 'Libertas', bezeichnete dies als einen „grossen Tag für die Demokratie“. Der Taoiseach (Premierminister), Brian Cowen, habe nun den Auftrag nach Europa zu gehen und das bestmögliche auszuhandeln. Cowen war erst vor kurzem als Nachfolger des zurückgetretenen Premiers Bertie Ahern ins Amt gekommen. Sein Antrittsbesuch beim Europäischen Rat steht noch aus. Joe Higgins von der Sozialistischen Party äußerte sich in Dublin Castle, wo das amtliche Endergebnis verkündet werden wird, ebenso positiv. Trotz der Unterstützung der großen Parteien und Konzerne habe die „Nein“ Seite die besseren Argumente gehabt. Dies sei nun keine Katastrophe sondern ein Weckruf für die arbeitende Bevölkerung in ganz Europa, sich für ein sozialeres Europa einzusetzen, gegen die Militarisierung der EU und für einen Stop der Abwärtsspirale an Arbeitnehmerrechten wie sie das Laval-Urteil verkörpere. Mary Lou MacDonald von Sinn Féin sah im Nein vor allem eine ernsthafte Sorge um die irische Neutralität und die drohende Marginalisierung der irischen Stimme in Europa. Eamon Devoy von einer der großen Gewerkschaften des Landes, der Vertretung der Techniker, Ingenieure und Elektriker, sah sich bestätigt und ein „Nein“ im Endergebnis für sicher. Der fraktionslose britische Europaabgeordnete Daniel Hannan erklärte im Online-Auftritt der englischen Zeitung Telegraph, nun sei es an der Zeit, die Schritte zurückzunehmen, die im Hinblick auf ein sicher geglaubtes „Ja“ bereits eingerichtet wurden: Die Grenzschutzagentur Frontex und die Europäische Rüstungsagentur sowie Eurojust.

18 Länder haben dem Lissaboner Vertrag bisher zugestimmt. Damit der Vertrag, der Ersatz für den in Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden abgelehnten EU-Verfassungsvertrag ist, in Kraft treten kann, müssen jedoch alle EU-Mitglieder zustimmen. Nach den gescheiterten Referenden über die EU-Verfassung war diesmal Irland das einzige Land in dem, von der irischen Verfassung vorgeschrieben, eine Volksabstimmung stattfand. +wikinews+

Mittwoch, 18. Juni 2008

EU-Reformvertrag: Deutschland und Frankreich wollen Ratifizierungsprozess fortsetzen

Europäische Union, 18.06.2008 – Nach dem Nein der Iren zum Lissabon-Vertrag vergangene Woche ist bisher kein Plan für das weitere Vorgehen der Europäischen Union (EU) zu erkennen. Während der irische Außenminister Michael Martin darauf dringt, die Entscheidung zu respektieren, und es für zu früh hält, um Lösungen anzubieten, sieht der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier keine Alternative zur Fortsetzung des Ratifizierungsverfahrens. Auch französische Politiker wie der EU-Staatssektretär Jean-Pierre Jouyet halten es für „das Wichtigste, den Ratifizierungsprozess zu retten“. Berlin und Paris wollen Irland so als einziges ablehnendes Land isolieren, um doch noch eine Zustimmung zu erreichen. Zugeständnisse an die Iren sind dafür durchaus möglich; so schlägt Jouyet vor, dass Irland beispielsweise aus der Verteidigungspolitik ausscheiden könne. Die drohende Militarisierung der EU ist eine der Befürchtungen der Vertragsgegner.

Die irische Republik ist der einzige der 27 Mitgliedsstaaten der EU, in dem per Volksabstimmung über den Vertrag von Lissabon abgestimmt wird; in allen anderen Ländern entscheiden die Parlamente. 18 Länder haben den Vertrag bereits ratifiziert, der als Ersatz für die 2005 bei Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden gescheiterte Verfassung ausgehandelt wurde, um die EU handlungsfähiger und demokratischer zu machen. Solange er allerdings nicht von allen Staaten ratifiziert wurde, kann er nicht wie geplant 2009 in Kraft treten.

Großbritannien und Österreich warnen davor, die irische Regierung unter Zugzwang zu setzen. Man solle stattdessen einen kühlen Kopf bewahren und ihr die Zeit geben, die sie für die richtige Antwort brauche. Es sei wichtig, Europa nicht zu spalten, was durch eine Isolierung Irlands geschehe, sondern gemeinsam eine Lösung zu finden. Ganz anders der Vorschlag der französischen Exministerin Elisabeth Guigou: Ihr schwebt eine Art europäische „Avantgarde“ vor: „Wer nicht mitmachen will, hat das Recht dazu. Die anderen schreiten fort.“ +wikinews+

Freitag, 13. Juni 2008

Pressemitteilung von Merkel zum "Nein" der Iren

Der Sprecher der Bundesregierung, Ulrich Wilhelm, teilt mit:
Wir haben die demokratische Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger Irlands mit dem gebotenen Respekt zur Kenntnis genommen, obwohl wir sie sehr bedauern.

Der irische Ministerpräsident hat uns über die Ergebnisse des Referendums informiert und wir erwarten, dass er die genauen Ursachen der Ablehnung des Vertrags durch die irische Bevölkerung beim Europäischen Rat am 19. und 20. Juni 2008 erläutert. Der Europäische Rat wird daraus die nötigen Schlüsse ziehen.

Die Staats- und Regierungschefs aller 27 Mitgliedstaaten haben den Vertrag von Lissabon unterzeichnet, und in 18 Mitgliedstaaten ist die Ratifizierung bereits abgeschlossen. Wir erwarten daher, dass die anderen Mitgliedstaaten ihre innerstaatlichen Ratifizierungsverfahren weiterführen.

Wir sind überzeugt, dass die im Vertrag von Lissabon vereinbarten Neuerungen erforderlich sind, um die Europäische Union demokratischer und handlungsfähiger zu machen. Sie werden Europa in die Lage versetzen, rasch die Herausforderungen anzugehen, denen die Bürgerinnen und Bürger Europas gegenüberstehen.

Montag, 2. Juni 2008

OSZE: Wahlen in Mazedonien verstießen gegen Standards

(wwj) Die OSZE-Wahlbeobachter verzeichnen in ihrem Bericht über die Parlamentswahlen eine Vielzahl von Gewaltausbrüchen, bei denen Menschen verletzt und einer erschossen wurde. Die mazedonische Regierung wird kritisiert, Gewaltakte zugelassen zu haben. - Die EU fordert fordert Wahlwiederholung.

Freitag, 9. Mai 2008

Rede Kurt Beck in Warschau am 9. Mai 2008

09.05.2008 Nummer: 279/08 REDE des Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, des rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck

zum Thema "Das soziale Europa als sozialdemokratisches Zukunftsprojekt - gemeinsame Herausforderungen und Handlungsfelder"

anlässlich der Konferenz der Friedrich-Ebert-Stiftung "Unser soziales Europa im 21. Jahrhundert"

am 9. Mai 2008 in Warschau

- Es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrte Damen und Herren, lieber Wojciech, lieber Marek, lieber Martin Schulz, lieber Matthias Platzeck,

es ist mir eine große Freude und Ehre zugleich, heute am Europatag in Warschau, als einer der bedeutsamsten Metropolen des neuen und größer gewordenen Europas, an dieser Konferenz der Friedrich-Ebert-Stiftung teilnehmen zu können. Der Friedrich-Ebert-Stiftung und insbesondere ihrem Leiter Peter Hengstenberg danke ich herzlich für die geleistete Arbeit der zurückliegenden Wochen.

Jedes Jahr am 9. Mai begehen wir in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union den Europatag! Die Europäer feiern den Tag, an dem der französische Außenminister Robert Schuman vor heute 58 Jahren die Gründung einer europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl vorschlug, aus der das großartige Projekt der Europäischen Union mit nunmehr 27 Mitgliedstaaten hervorgegangen ist.

Rückblickend kann man ohne zu zögern und aus voller Überzeugung feststellen: Europa hat Großartiges und in der Geschichte des Kontinents Einzigartiges geleistet!

Umso wichtiger ist es, den Blick auf die Zukunft des europäischen Einigungsprozesses zu richten. Deshalb könnten Datum, Ort und Titel der Veranstaltung nicht besser gewählt sein: In der Hauptstadt Polens, im Herzen Europas, am Tag der Grundsteinlegung des europäischen Einigungswerkes über das bedeutendste Zukunftsprojekt der kommenden Jahre, den Aufbau des sozialen Europas, zu sprechen, ist in der Tat eine ideale Kombination.

I. DAS SOZIALE EUROPA ALS ANTWORT AUF DIE HERAUSFORDERUNGEN UNSERER ZEIT

Globalisierung und demographischer Wandel als Herausforderungen für die Systeme der sozialen Sicherheit

Anrede,

als Sozialdemokraten wissen wir: Die Gestaltung der Zukunft beginnt mit der Analyse der Gegenwart. Wer sagen will, was sein soll, muss zunächst sagen, was ist. Anders ist gute Politik, die reale Fortschritte für die Menschen erreichen will, nicht möglich.

Doch wie sieht sie aus, die Zeit, in der wir leben?

Ein Trend sticht in besonderer Weise hervor: Unser 21. Jahrhundert ist das erste wirklich globale Jahrhundert. Neues Wissen und technologischer Fortschritt, aber auch politische Entscheidungen haben unsere Welt stärker zusammenwachsen lassen als jemals zuvor. Die Abhängigkeit voneinander ist größer geworden, damit aber auch die Verantwortung füreinander! Globalisierung ist eine Realität unserer Zeit, die wir anzuerkennen haben. Wir können hinter sie nicht zurück. Wir sollten dies auch nicht wollen. Wir müssen sie entschlossen politisch gestalten, um ihre Chancen zu nutzen.

Eine weitere große Herausforderung, mit der sich unsere Gesellschaften in Europa konfrontiert sehen, ist der demographische Wandel. Stagnierende oder rückläufige Geburtenzahlen und eine erhöhte Lebenserwartung führen dazu, dass bei Anhalten dieses Trends zukünftig immer weniger und immer ältere Menschen in Europa leben werden.

Beides, die Globalisierung und der mit ihr einhergehende Strukturwandel von einer Industrie- zu einer Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft sowie die demographischen Umbrüche in unseren Gesellschaften stellen unsere Systeme der sozialen Sicherung und somit der gelebten und politisch organisierten Solidarität in Europa vor neue Herausforderungen.

Kein Zweifel: Diese wirtschaftliche und soziale Dynamik erschwert es den Nationalstaaten in Europa, die Finanzierung ihrer sozialen Sicherungssysteme zu gewährleisten und öffentliche gemeinwohldienliche Dienstleistungen bereitzustellen.


Sozialdemokratische Politik für Wachstum, soziale Gerechtigkeit und ökologische Verantwortung

Der Handlungsspielraum nationaler Politik ist geschrumpft, das stimmt. Doch - und auch das stimmt - er ist weitaus größer, als es sich neoliberale Theoretiker und deren politische Vertreter wünschen und uns weismachen wollen. Hinzu kommt: Dort, wo nationale Politik an ihre Grenzen stößt, kann und muss europäische und internationale Politik einspringen und den freien Marktkräften einen sozialen und ökologischen Rahmen geben. Dieser politisch vorgegebene Rahmen ist das, was wir Sozialdemokraten unter sozialer Marktwirtschaft in Europa verstehen.

Für Verzagtheit und politische Leisetreterei besteht daher keine Veranlassung! Politik darf und braucht sich nicht klein zu machen vor den Herausforderungen unserer Zeit! Wenn sie ihre Gestaltungsspielräume nutzt und sich zugleich neue erschließt, kann sie ihren Primat gegenüber den Kräften des Marktes auch unter gewandelten Bedingungen behaupten und neu durchsetzen.

II. DAS SOZIALE EUROPA BAUEN - POLITISCHER HANDLUNGSBEDARF AUF DREI EBENEN

Anrede,

ich sehe drei Handlungsebenen, auf denen es gilt, durch eine vernünftige sozialdemokratische Politik die Verbindung von wirtschaftlichem Wachstum, sozialer Sicherheit und Gerechtigkeit sowie ökologischer Verantwortung zu erneuern. Auf allen drei Ebenen haben auch Europa und die Europäische Union ihre Rolle zu spielen. Es sind letztlich diese drei Gestaltungsebenen, auf denen es gilt, ein soziales Europa als unsere gemeinsame europäische Antwort auf die Herausforderungen unserer Zeit zu bauen.

Nationale Sozialsysteme zukunftsfest machen/vorsorgender Sozialstaat

Erstens, wir müssen Sozialpolitik und soziale Sicherung im nationalen Rahmen weiterentwickeln. Um den Sozialstaat in Deutschland zukunftsfest zu gestalten, hat die SPD in ihrem neuen Hamburger Grundsatzprogramm ein weit reichendes Konzept vorgelegt: das Konzept des vorsorgenden Sozialstaats.

Die solidarische Absicherung der großen Lebensrisiken bleibt vordringliche Aufgabe der sozialstaatlichen Sicherungssysteme. Verstärkt wollen wir aber auch das Prinzip der Vorsorge in den Vordergrund rücken. Bildung als entscheidende Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe und Aufstiegschancen wird dabei zum integralen Bestandteil einer modernen Sozialpolitik.

Und es geht auch um faire Arbeitsbedingungen, eine umfassende gesundheitliche Prävention und weit reichende öffentliche Dienstleistungen, die eine Teilhabe eines Jeden am gesellschaftlichen Miteinander ermöglichen. Grundgedanke bei all dem ist, dass sich die Qualität des Sozialstaates nicht allein an der Höhe von Transferleistungen misst, sondern an der Gewährleistung tatsächlicher Lebenschancen, die allen von Anfang an und immer aufs Neue offen stehen müssen.

Es ist sinnvoll, wenn wir diese nationalen Reformanstrengungen im europäischen Kontext koordinieren und dafür offen sind, voneinander zu lernen. Die Möglichkeiten, die die Europäische Union bereits jetzt hierfür bietet, sind zu begrüßen und weiter auszubauen.

Klar ist aber auch: eine Vereinheitlichung der nationalen Sozialsysteme kann nicht das Ziel sein. Die historisch gewachsenen Unterschiede zwischen den einzelnen nationalen sozialen Sicherungssystemen in Europa sind dafür zu groß. Einen europäischen Sozialstaat wird und soll es nicht geben! Sozialpolitik bleibt auch weiterhin nationale Kernkompetenz!

Eine europäische Sozialunion als Integrationsprojekt der kommenden Dekaden

Die zweite Ebene, auf die wir als Sozialdemokraten unsere politische Energie richten müssen, ist die europäische Ebene. Im Europäischen Parlament, im Rat und in der Kommission müssen wir uns dafür einsetzen, die soziale Dimension der europäischen Integration zu stärken. Wir brauchen dringend gemeinsame europäische Rahmenbedingungen, um soziale und ökologische Standards wirksam abzusichern und zu stärken.

Nach der Verwirklichung des europäischen Binnenmarktes mit großen Wohlstandsgewinnen für die Menschen und der Einführung einer gemeinsamen Währung - hoffentlich bald auch in den neuen EU-Mitgliedstaaten - gilt es, die Arbeit für das soziale Europa als großes Zukunftsprojekt der kommenden Jahre voranzutreiben.

Parallel zum wirtschaftlichen Fortschritt müssen wir auch sozialen Fortschritt organisieren. Nur so ist sichergestellt, dass der erwirtschaftete Wohlstand nicht nur einigen wenigen, sondern vielen Menschen zugute kommt.

Auch die Menschen in Europa wollen, dass Europa mehr ist als ein Markt. Schon der große Europäer und Sozialdemokrat Jacques Delors hat festgestellt, dass "man nicht einen gemeinsamen Markt lieben kann". Er hatte Recht. Erst wenn Europa zeigt, dass es auch ein soziales Gesicht hat, dass es eben den Menschen und nicht allein den Markt in den Mittelpunkt rückt, wird es die Menschen für sich wirklich begeistern können.

Ein wichtiger Schritt, um die Menschen wieder von der Zukunftskraft des europäischen Gedankens überzeugen zu können, ist der neue Vertrag von Lissabon. Im Vertrag von Lissabon ist das klare Ziel formuliert, dass auch auf europäischer Ebene die Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft voll zu gelten haben. Das ist ein richtiges und wichtiges Ziel, für das wir uns nachdrücklich eingesetzt haben. Bisher ist es aber in erster Linie ein Ziel, europäische Wirklichkeit ist es noch nicht! Im Übrigen: Auch dies ist ein entscheidender Grund, warum es wichtig ist, dass der Vertrag von Lissabon möglichst bald von allen EU-Mitgliedstaaten ratifiziert wird.

Europa als Instrument zur sozialen Gestaltung der Globalisierung

Eine dritte politische Handlungsebene ist zentral, um wirtschaftliche Freiheit mit sozialer Gerechtigkeit und Solidarität dauerhaft und umfassend in Balance zu halten. Auch auf internationaler Ebene brauchen wir Regelwerke, die soziale Standards festschreiben und ökologische Nachhaltigkeit vorschreiben. Im Rahmen der WTO, bei Standards für die öffentliche Auftragsvergabe sowie im Zusammenhang mit unserer Entwicklungszusammenarbeit müssen wir Schritte in diese Richtung gehen. Gerade die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) dürfen nicht nur auf dem Papier, sondern müssen in der Praxis gelten.

Als Europäer können wir zu all dem nur dann einen wirklichen Beitrag leisten, wenn wir auf die Kraft unseres gemeinsamen Handelns vertrauen.

Stärker noch als bislang müssen wir Europa und die Europäische Union zu unserem gemeinsamen Instrument zur Gestaltung der Globalisierung über europäische Grenzen hinaus machen! Hierzu brauchen wir eine starke und stimmige europäische Außenpolitik. Eine starke europäische Außenpolitik zur Durchsetzung gemeinsamer europäischer Interessen liegt auch im nationalen Interesse der Mitgliedstaaten. Nur auf diesem Weg kann Europa zu einem politischen Kraftzentrum für friedliche, soziale und ökologisch nachhaltige Erneuerung in einer Welt im Wandel werden!

III. UNSER SOZIALES EUROPA - GESTALTUNGSAUFTRAG FÜR DIE EUROPÄISCHE SOZIALDEMOKRATIE

Zusammengefasst gilt für die europäische Sozialdemokratie: Wie wohl keine zweite europäische Zukunftsfrage ist die Frage nach den Gestaltungsperspektiven für das soziale Europa Profil bildend für unsere gemeinsame politische Familie. Sie ist unser Markenkern! Dies müssen wir sehr deutlich auch in der politischen Auseinandersetzung mit Konservativen und Liberalen im Vorfeld der Europawahlen im Juni nächstes Jahr hervorheben. Wenn wir dies entschlossen tun, haben wir große Chancen, politische Spielräume zur Verwirklichung des sozialen Europas zu erschließen und die Zukunft Europas entscheidend mitzugestalten.

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  • Mittwoch, 30. April 2008

    BReg: "Europa macht Schule" - EU-Projekttag am 6. Mai

    Am Dienstag, dem 6. Mai 2008, findet zum zweiten Mal der EU-Projekttag an Schulen in ganz Deutschland statt. Bundeskanzlerin Angela Merkel wird die Bertha-von-Suttner-Oberschule in Berlin-Reinickendorf besuchen und mit Schülerinnen und Schülern darüber diskutieren, was sie von der Europäischen Union erwarten.
    "Ich möchte bei ihnen Verständnis dafür wecken, dass wir die großen Herausforderungen unserer Zeit – den Klimawandel, die Gestaltung der Globalisierung, die Bekämpfung des Terrorismus – nur im europäischen Verbund bewältigen können", so die Bundeskanzlerin.

    Mitglieder der Bundesregierung sowie Abgeordnete des Deutschen Bundestages, des Europäischen Parlaments und der Landtage sowie Vertreter der Landesregierungen besuchen an diesem Tag ebenfalls Schulen. Sie sprechen mit den Jugendlichen über den Vertrag von Lissabon als neue gemeinsame Grundlage der Europäischen Union und andere aktuelle europapolitische Themen.

    Zahlreiche deutsche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Europäischen Kommission und anderer EU-Institutionen reisen aus Brüssel an und werden den Jugendlichen Einblicke in den europäischen Politikalltag vermitteln.

    Der EU-Projekttag geht zurück auf eine Initiative der Bundeskanzlerin und fand zum ersten Mal zu Beginn der deutschen EU-Ratspräsidentschaft am 22. Januar 2007 statt.

    Die Bundeszentrale für politische Bildung hat unter der Adresse www.bpb.de/euprojekttag umfangreiches Informationsmaterial über Europa für die Schulen zusammengestellt.

    Die beigefügte Liste gibt einen aktuellen Überblick über die Termine der Mitglieder der Bundesregierung an teilnehmenden Schulen. Medienvertreter werden gebeten, sich bei der jeweiligen Schule anzumelden. Für Rückfragen stehen die Länderkoordinatoren – in anliegender Übersicht – zur Verfügung.

    Dienstag, 15. April 2008

    PE: Merkel gratuliert Berlusconi zum Wahlerfolg

    Der Sprecher der Bundesregierung, Ulrich Wilhelm, teilt mit:
    Bundeskanzlerin Angela Merkel hat heute telefonisch dem Wahlsieger der italienischen Parlamentswahlen, dem Vorsitzenden des Parteienzusammenschlusses "Volk der Freiheit", Silvio Berlusconi, herzlich zu seinem überzeugenden Wahlerfolg gratuliert.

    Die Bundeskanzlerin erklärte, dass sie sich auf die Fortsetzung der Zusammenarbeit mit Silvio Berlusconi freue, mit dem sie schon in der Vergangenheit gut zusammengearbeitet habe.

    Italien ist, insbesondere auch im Hinblick auf die europapolitische Zusammenarbeit, ein wichtiger Partner Deutschlands.

    Die Bundeskanzlerin lud Silvio Berlusconi zu einem Besuch in Deutschland ein.

    Dienstag, 22. Januar 2008

    PE: Merkel zum Deutsch-Französischen Tag 2008

    Heute, am 22. Januar, dem "Deutsch-Französischen Tag", feiern Deutschland und Frankreich das 45jährige Jubiläum des Elysée-Vertrages vom 22. Januar 1963. Der Vertrag über die deutsch-französische Zusammenarbeit bildet die Grundlage für die enge Freundschaft und den vielfältigen Austausch zwischen den Menschen unserer beiden Länder, der in der europäischen Geschichte seinesgleichen sucht.
    Der heutige Tag soll vor allem den jungen Menschen die einzigartige historische und politische Bedeutung der deutsch-französischen Freundschaft vermitteln und zugleich ihren zukunftsweisenden Auftrag verdeutlichen: Die deutsch-französische Zusammenarbeit muss sich im gemeinsamen Bemühen um den weiteren Aufbau Europas, für den Deutschland und Frankreich besondere Verantwortung tragen, bewähren.

    Dabei liegt uns vor allem daran, den jungen Menschen schon während ihrer Ausbildung ein besonderes Verständnis für das Partnerland zu vermitteln, damit sie sich künftig für ein gemeinsames, weltoffenes und starkes Europa einsetzen können.

    So findet heute unter anderem ein "Entdeckungstag" in Unternehmen für französische und deutsche Schüler statt, bei dem die Jugendlichen einen Einblick in die deutsch-französische Zusammenarbeit in der Arbeitswelt bekommen sollen.

    Zwischen der deutschen und der französischen Regierung besteht seit vielen Jahren eine präzedenzlos enge Zusammenarbeit, auf deren Erfolge wir stolz sind. Das verfasste Europa, so wie wir es heute kennen, wäre ohne die vielfältigen deutsch-französischen Initiativen nicht möglich gewesen. Der institutionalisierte Meinungsaustausch auf allen politischen Ebenen zu allen wesentlichen Fragen hat die Europäische Union immer voran gebracht. In Anlehnung an diese große Tradition wird die Bundesregierung Frankreich auch bei der im 2. Halbjahr 2008 anstehenden EU-Ratspräsidentschaft nach Kräften unterstützen und sich mit der französischen Regierung eng abstimmen.

    Dienstag, 1. Januar 2008

    EDITORIAL

    Europawoche.de - Notizen und Kommentare

    Was soll werden aus Europa? Schauen wir uns Europa an. Die Geschichte politischer Katastrophen einerseits, die Kleinstaaterei vor und nach großen Imperien, die wissenschaftliche und kulturelle Entwicklung mit beachtlichem Lebensstandard andererseits, in einer Welt, die sich zunehmend vernetzt und viele Probleme besser gemeinschaftlich lösen kann. Dazu soll Europa Gemeinschaft werden, zu einer Europäischen Union, die ihren Bürgern, den Vereinten Nationen und allen Menschen Inspiration für Freiheit, Solidarität, Vernunft und Wohlstand ist.

    Projektentwicklung:

    Die Europäische Idee kriselt, was nicht einfach nur "schade" ist, sondern Gründe hat. Die Europawoche.de wird informieren, diskutieren und sich einmischen. Das braucht Vorbereitung. Neben redaktionellen Fragen beschäftigen wir uns zunächst mit dem anzubietenden Datenhintergrund und testen ContentManagementSysteme auf ihre Eignung für die Mitwirkenden. Voraussichtlich im 4. Quartal geht es in die Betaphase. 2009 soll der öffentliche Projektstart sein.

    Europa-NEWS

    Vorläufig finden sich die Europa-News noch im Internet-Journal.

    Impressum

    Die Schirmherrschaft erklärte sich bereit, presserechtlicher Ansprechpartner zu sein. Dazu halten wir die Kontaktangaben zur Domain Europawoche.de bei der Denic.de stets aktuell.

    InternetKalender